Menue
In Beziehung
Im Dialog
Im Prozess
ddif - In Beziehung Im Dialog Im Prozess

Therapeutische Ausrichtung, Haltung und Prinzipien

Therapeutische Ausrichtung

Entwickelt hat sich die erlebnisorientierte Familientherapie aus Ansätzen der humanistisch-existentiellen Psychotherapie und der Familientherapie.

  • Erlebnisorientierte Familientherapie geht von einer humanistisch-existenzialistischen Grundhaltung aus – sie fußt auf der vorurteilsfreien Begegnung mit den Klient*innen und in einem gleichwürdigen zwischenmenschlichen Kontakt.
  • Die erlebnisorientierte Familientherapie ist systemisch beziehungsorientiert – sie nimmt Individuen als Teil ihres Systems wahr und betrachtet dabei vor allem die Beziehungsbedingungen und -möglichkeiten, die in den jeweiligen Systemen wirken.
  • Der erlebnisorientierte Ansatz ist phänomenologisch und prozessorientiert  in der gemeinsamen Arbeit ist das offene Erforschen des unmittelbaren Erlebens zentral.

Haltung und Prinzipien

Der klaren, von Jesper Juul geprägten, Sicht auf Beziehungen liegen vier Werte zugrunde, die unsere Haltung bestimmen: Gleichwürdigkeit, Integrität, Authentizität und Verantwortung. Neben diesen bilden die Schlüsselkonzepte Kooperation und Integrität, Selbstgefühl und Selbstvertrauen, persönliche und soziale Verantwortung sowie persönliche Autorität bzw. Führung die Grundlage für unsere Perspektive auf Beziehungen.

Gleichwürdigkeit

„Gleichwürdigkeit“, nicht zu verwechseln mit Gleichheit. Gleichwürdigkeit als neuer Maßstab für zwischenmenschliche Beziehungen zwischen Erwachsenen und Kindern zieht ihre Bedeutung, ihre Kraft und ihr Potential aus zwei Quellen. Die eine ist die klinische Erfahrung aus der Arbeit mit gestörten Beziehungen zwischen Eltern und Kindern. Die andere Quelle ist die wissenschaftliche Forschung der letzten 15 Jahre. Daniel N. Stern, Peter Fornagy und andere untersuchten die frühen Bindungen zwischen Eltern und Säuglingen. Eine  ihrer Schlussfolgerungen ist, dass sich die gesündeste Beziehung und auch das optimale Gedeihen von Eltern und Kindern dann einstellen, wenn die Beziehung eine „Subjekt-Subjekt-Beziehung“ und keine „Subjekt-Objekt-Beziehung“ ist, in der das Kind das Objekt ist. Diese Forschung begründete in sich selbst ein neues Paradigma, das die meisten bisherigen „Wahrheiten“ der Entwicklungspsychologie auf den Kopf stellte.

Was ich „Gleichwürdigkeit“ nenne ist das, was eine  „Subjekt-Subjekt-Beziehung“ von Natur aus kennzeichnet – eine Beziehung, in der die Gedanken, die Reaktionen, die Gefühle, das Selbstbild, die Träume und die innere Realität des Kindes genauso ernst genommen werden, wie die der Erwachsenen und vom Erwachsenen in der Beziehung berücksichtigt werden. Auf diesem Weg wird das Kind unter der Führung des Erwachsenen zum Mit-Gestalter seiner eigenen Welt. Das ist kein politisches Recht,  aber es ist der Auftrag, die persönliche Integrität des Kindes sowie die des Erwachsenen zu schützen.

Wir leben in einer Zeit des Übergangs. Die Herausforderung besteht darin, Lehrern diese neue Einsicht und Perspektive nahe zu bringen,

  • auch wenn sie selbst in ihrer Erziehung und Ausbildung von Eltern und Lehrern als Objekt in der Beziehung behandelt worden waren,
  • auch wenn sie es als Heranwachsende mit Erwachsenen zu tun hatten, die Macht ausübten anstatt fürsorglich zu sein.

Viele Schulen und Lehrer – sowie viele Eltern – brauchten daher erst den Umweg über Verhaltenskontrolle und andere modernisierte Methoden. Sie übten weiter ihre Macht aus und missachteten die existenzielle Wirklichkeit beider, die der Erwachsenen und die der Kinder. Selbst wenn diese Methoden kurzfristig „funktionieren“, erkennen sie oft, dass der Preis, den sie dafür zu bezahlen hatten, sehr hoch ist.

Der Weg zur Gleichwürdigkeit ist schwierig – emotional wie intellektuell. Es ist schwer aufzuhören, im „Erwachsenen gegen Kind“ Modus zu denken. Es ist schwer, eine Haltung anzunehmen, die beiden Seiten gleich dient und nicht die Bedürfnisse des einen über die des anderen stellt. Der Fokus muss darauf gerichtet werden, was zwischen den beiden geschieht (Prozess). Das ist für Lehrer ein komplett neues Terrain. Sie wurden ausgebildet, ihr Augenmerk auf den Inhalt und die Präsentation zu richten. Darum treffen wir eine Menge Lehrer, die sehr großes Geschick im traditionellen Unterrichten besitzen. Sie haben aber noch nicht genügend zwischenmenschliche Fähigkeiten. Es fehlt ihnen das Können, destruktivem Verhalten konstruktiv zu begegnen.

zitiert aus dem Artikel von Jesper Juul (2006): “A comprehensive understanding of education and socialization” - “Ein umfassendes Verständnis von Erziehung und Sozialisation”, aus dem Englischen übersetzt von Christine Ordnung

Verantwortung

Das zweite Schlüsselwort ist Verantwortung, genauer gesagt persönliche Verantwortung, die wir alle übernehmen können – Verantwortung für unser eigenes Verhalten, unsere Gefühle, unsere Reaktionen, unsere Werte usw. Für den Erwachsenen kommt noch hinzu, dass er es ist, der in jeder Beziehung oder Begegnung zwischen ihm und einem Kind der Verantwortliche für die Qualität ihrer Beziehung ist. Kinder sind schlicht nicht in der Lage, die Verantwortung zu übernehmen. Und da, wo sie dazu gezwungen sind, weil der Erwachsene es nicht will oder kann, leiden die Kinder (und die Beziehung). Das ist so, egal ob wir über Familien oder das Klassenzimmer sprechen. Es ist für den Erwachsenen zwingend zu verstehen, dass diese Verantwortung mit Kindern weder geteilt noch an sie delegiert werden darf. Sie bleibt alleinig beim erwachsenen Elternteil oder Lehrer.

Die genannten psychologischen Fakten widersprechen dem seit Generationen üblichen Selbstverständnis der Erwachsenen, ihre Realität  nach „zweierlei Maß“ zu messen. „Wenn meine Beziehung zu einem Kind gut verläuft, dann ist es mein Verdienst (oder der Erfolg meiner Methode). Wenn die Beziehung zu einem Kind (oder zu einer Schulklasse) schwierig ist, dann ist es das Verschulden des Kindes (bzw. der Klasse).

Von den vielen Phänomenen, die das schulische Leben negativ beeinflussen, zerstört das eben beschriebene wahrscheinlich am meisten die Beziehungen zwischen Kind und Erwachsenem.

Vor weniger als einer Generation waren sich alle Erwachsenen über dieses „zweierlei Maß“ einig. Kinder, die sich nicht fügten, wurden entweder ausgeschlossen oder bestraft. Konsequenterweise entwickelten die meisten Kinder Angst vor den Lehrern (im Rückblick wurde diese Angst oft mit Respekt verwechselt). Die heutigen Kinder haben im Kindergarten nicht mehr auf dieselbe Weise gelernt, den Erwachsenen zu fürchten. Sie verlangen Respekt vom Lehrer, bevor sie ihn „zurück“ respektieren können und wollen.

zitiert aus dem Artikel von Jesper Juul (2006): “A comprehensive understanding of education and socialization” - “Ein umfassendes Verständnis von Erziehung und Sozialisation”, aus dem Englischen übersetzt von Christine Ordnung

Integrität und Kooperation

Wir verstehen ganz allgemein unter der Integrität des einzelnen Menschen ein Gefühl von Ganzheit und Verbindung zwischen innerer und äußerer Verantwortlichkeit und wollen deshalb versuchen, beides einzukreisen:

Innere Verantwortlichkeit ist die Verantwortung, die jeder Mensch für sich selbst hat, d. h. für seine oder ihre eigenen Grenzen, Bedürfnisse, Gefühle und Ziele. Im philosophischen Sinn sprechen wir von der existenziellen Verantwortung – der Verantwortung, wie sie jede/r für sich für das eigene Leben hat, weil wir trotz aller Ähnlichkeiten mit anderen Menschen auch einzigartig sind. Es gibt keinen anderen Menschen, der genauso ist wie ich, und deshalb auch niemanden, der mich besser kennt als ich selbst, und deshalb muss ich selbst die Verantwortung für mein Leben übernehmen – und zwar allein.
zitiert aus Jesper Juul: "Vom Gehorsam zur Verantwortung", BELTZ.

Juul sieht den existentiellen Grundkonflikt zwischen dem Wunsch nach Kooperation und dem Bedürfnis, die eigene Integrität zu schützen (Juul, 1997, S.55 ff.). Der Wunsch dazuzugehören und für die nahen Bezugspersonen wertvoll zu sein, ist dem Kind angeboren. Dieses Bedürfnis ist so stark ausgeprägt, dass das Kind im Zweifelsfall die eigenen, persönlichen Bedürfnisse und Interessen dahinter zurückstellt. (...) "Kooperation" heißt natürlich keinesfalls, dass die Kinder sich immer so verhalten, wie die Erwachsenen es sich worstellen und wünschen.
zitiert aus Cornelia Stöckel: "Erlebnisorientierte Familientherapie. Gestalttherapie mit `vollen Stühlen`", edition+plus

ddif
Deutsch-Dänisches Institut für 
Familientherapie und Beratung
Ebersstr. 80 (durch die Tordurchfahrt zur Remise)
10827 Berlin

Telefon 030 241 711 10
Telefax 030 284 295 01
info@ddif.de